Diejenigen, die über Ideen und Ressourcen verfügen, müssen sich nur umsehen.
Das Einzige, was es in Venedig in Hülle und Fülle gibt, ist Leerstand. [Paolo Baratta]
Se oggi si può discutere di una sorta di brandizzazione della città da parte della Biennale, la fuoriuscita nello spazio urbano della Biennale ha origini in un pensiero e in politiche che possiamo collocare esattamente all’estremità opposta all’idea di mercificazione della città che conosciamo oggi. [Vittoria Martini]
Es schien ein einfaches Unterfangen zu sein […] aber nichts ist einfach (städtebaulich und vor allem politisch) in der Lagunenstadt,
schrieb Francesca Pini im Corriere della Sera anlässlich der Eröffnung der 18.
Architekturbiennale von Venedig. Dabei bezog sie sich auf den diesjährigen österreichischen Beitrag von AKT und Hermann Czech. Dieser sah einen temporären Umbau des Pavillons samt Brücke über die Giardini-Mauer vor, um eine Hälfte des Gebäudes an die BewohnerInnen des benachbarten Stadtteils und an venezianische Recht-auf-Stadt-Initiativen abzutreten. Deren Anliegen sollten auf der weltweit wichtigsten Architekturausstellung im prekären Kontext Venedigs einen Ort und eine Stimme erhalten. Doch die Biennale versagte dem Projekt ihre Unterstützung, die zuständigen Behörden haben bis heute die Einreichung nicht entschieden. Den nun zu besichtigenden Baustopp bezeichnete Pini im positiven Sinne als „Provokation“: „Die Frage ist noch offen. Aber zumindest ist sie gestellt worden, sie liegt auf dem Tisch.“ Die Frage, die sie meint, ist jene nach dem Verhältnis von Biennale und Stadt, nach einer von globalen Kulturtouristen besuchten Großveranstaltung und ihrer Gastgeberin, der zunehmend entvölkerten Altstadt Venedigs.
Ursprünglich war der Umbau des österreichischen Pavillons als architektonische Aussage gedacht, die alle Bereiche umfasst, in denen Architektur tätig und wirksam wird: vom Bauen von Trennung, Herstellen von Verbindung bis zum Schaffen von Bedeutung. Doch durch die Ablehnung der Biennale, sich produktiv mit einer Öffnung des Pavillons zur Stadt auseinanderzusetzen, erwuchs die Notwendigkeit den gegenwärtigen Zustand und die räumliche Praxis der Institution selbst in den Mittelpunkt der Ausstellung zu rücken.





Nun legt sich der Andrang der Eröffnungswochen und allmählich kehrt Ruhe ein in die Giardini. Die kritische Berichterstattung weicht bekannten Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie: “Die zehn besten Pavillons”, “Drei Pavillons, die man gesehen haben muss”. Am Ausschluß der lokalen Bevölkerung aus dem Pavillon aber hat sich nichts geändert. Dabei sehen sich die benachbarten BewohnerInnen und die kooperierenden Recht-auf-Stadt-Initiativen auf ihrer Suche nach Raum für ihre Aktivitäten weiterhin mit einem zentralen Widerspruch heutiger Städte konfrontiert: Dem Mangel an Raum trotz Leerstands.

Aus diesem Grund wollte “Beteiligung”, so der Titel des österreichischen Beitrags, nicht im üblichen Sinn der Partizipation als Mitbestimmung durch die Bevölkerung, sondern als die Abgabe von Raum an diese. Denn der begrenzte Boden der Altstadt Venedigs unterliegt einem massiven ökonomischen Entwicklungsdruck. Raum ist sowohl knapp als auch in Fülle vorhanden. Knapp im Sinne der Leistbarkeit, in Fülle vorhanden in Form von baufälligem und renovierungsbedürftigem Leerstand. Die große Zahl an verwaisten und verfallenen kommunalen Wohnungen in der Altstadt sind nur ein Beispiel. Gleichzeitig berichten Studierende davon, über Monate vergeblich nach Unterkünften zu suchen.


Die Biennale selbst nutzt diese Paradoxie und hat seit Mitte der 1990er Jahre ihre Ausdehnung beschleunigt: Durch Ausstellungsflächen im Arsenale, aber auch durch eine stetig wachsende Zahl externer nationaler Pavillons und kollateraler Veranstaltungen in der Altstadt. Dieses räumliche Wachstum war immer von Kritik begleitet. Gefordert wurden sensiblere Praktiken und eine stärkere Rückbesinnung auf Venedig. „The Biennale must rethink its direct relationship with the city“, so die italienische Kunsthistorikerin Vittoria Martini und fordert „the Biennale should go back to having a ´Venice consciousness´”. Während also städtische Bürgerinitiativen insbesondere in Bezug auf die ungelösten Fragen rund um das Arsenale seit Jahren auch die Biennale in der Pflicht sehen, blieb ein konstruktiver Dialog zwischen beiden Seiten die Ausnahme.
Paolo Baratta, Präsident der Biennale von 1998-2001 und 2008-2020, behauptet rückblickend:
Diese Bewegungen entstehen auf der Grundlage einzelner beispielhafter und symbolischer Ziele, sie sind daher von Natur aus maximalistisch […] Und das ist schade! Sie hätten logischerweise unsere Verbündeten sein müssen.

So bleiben die beiden Seiten scheinbar unversöhnlich. Wobei das Ungleichgewicht zwischen einer Institution, die bestens mit der lokalen und nationalen Politik vernetzt und mit großen finanziellen Mitteln ausgestattet ist, in der Auseinandersetzung mit ehrenamtlich arbeitenden Bürger*innen offensichtlich ist. Daher scheint es doch eher der Unwillen eines mit großem Einfluß und Wirtschaftskraft ausgestatteten Apparats zu sein, der dazu geführt hat, dass die Stadt Venedig und ihre Probleme aus den Ausstellungen der Biennale praktisch verschwunden sind. Dabei müßte es im eigensten Interesse der Biennale sein, ihre Architektur-Ausstellungen unmittelbar am Leben Venedigs mit all seinen Konflikten und Dynamiken zu beteiligen. So könnte sie auch wieder an ihre Ursprünge in der Mitte der 1970er Jahre anknüpfen. Denn um dem neuen Architektursektor politische Relevanz zu verleihen, hatte Vittorio Gregotti 1975 die erste Ausstellung mit Architekturthematik bewusst als produktives „Labor“ in und für Venedig angelegt. Gemeinsam mit der Biennale sollten Architekt*innen, Künstler*innen und die Bevölkerung Strategien für die Altstadt entwickeln, die auf die Entvölkerung der Stadt reagierten. Gerade heute kann die größte Architekturausstellung der Welt ihren selbstgestellten Auftrag – dieses Jahr: “Laboratory of the Future” zu sein – nur erfüllen, wenn sie sich darauf zurückbesinnt und wieder in räumlichen und inhaltlichen Austausch tritt mit der Stadt und ihren BewohnerInnen.

Top photo: Werner Kogler, Führung, Pavillon AKT, 18.5.2023

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